Sonntagabend im ICE von Freiburg im Breisgau nach Hannover. Ich komme von einem schönen Draußenwochenende mit meiner ersten Schneeübernachtung im Freien zurück. Am Tisch mir gegenüber sitzt ein junger Mann, der fleißig auf seinen Laptop einhackt und dann telefoniert. Schnell ist klar: Das ist ein Nachwuchswissenschaftler, der gerade an einem Paper schreibt und sich mit einem Co-Autor abstimmt. Sonntagabend. Als ich darüber nachdachte war ich froh, dass Wissenschaft nicht mehr mein Beruf ist. Reflexion über einen Ausstieg. Seit 2016 habe ich in der Wissenschaft gearbeitet, hatte das _Privileg_ als Wissenschaftlicher Mitarbeiter immerhin einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz zu haben. Ja, das wird von vielen, die gerade promovieren als _Privileg_ gesehen, denn viele andere haben Stipendien, von deren Höhe sie noch eine private Krankenversicherung bezahlen müssen. Ich hatte auch einen guten Chef, der mein Doktorvater ist. Für ihn war eine halbe Stelle wirklich eine halbe Stelle. So hatte ich Zeit für die Promotion, Konferenzen und Buch- wie Artikelprojekte. Gleichzeitig hatte ich in dieser Zeit vier befristete Verträge und ein Stipendium. Die Unsicherheit, ob meine Stelle verlängert wird, kenne ich also gut.  Dennoch hatte ich Raum zu forschen, mich in der Lehre auszuprobieren und mich weiterzubilden. Ich war auf internationalen Konferenzen, habe viel gelernt und durfte dabei auch etwas reisen – doch ist das ein Privileg des Jobs? Es ist eher eine Verpflichtung. Von einem erfahrenen Wissenschaftler wurde mir klar gesagt, dass ich für eine permanente Karriere in der Wissenschaft noch mindestens ein internationales Stipendium oder besser eine Zeit lang im Ausland arbeiten müsse. Ohne Rücksicht auf das soziale Umfeld, Leben und die Partnerschaft, er habe es als alleinerziehender Vater von zwei Kinder schließlich auch geschafft. Schön für ihn. Doch nach Jahren regelmäßigen Umziehens, in verschiedenen Ländern zu studieren und für Forschungsaufenthalte manchmal sechs bis acht Wochen das eigene soziale Leben anzuhalten wäre das eine ganze schöne Zumutung für meine Beziehungen gewesen. Ist es das wert, fragte ich mich und wieso soll das so sein? Im Wissenschaftssystem liegt vieles im Argen: Unkontrollierte Arbeitszeiten mit der Tendenz zu Mehrarbeit und Selbstausbeutung, Machtgefälle zwischen Professor:innen und Promovierenden und Mittelbauler:innen (v.a. befristeten), die sehr häufig ausgenutzt werden. Es herrscht ein hoher Konkurrenzdruck und ich höre von einigen Unis, dass sich das alles immer wieder zu einer schlechten Arbeitsatmosphäre verdichtet. Vergessen wir nicht: Auch Wissenschaft ist ein Beruf wie jeder andere, daran gibt es nicht viel privilegierendes. Doch warum steige ich nun aus, aus diesem System? Kann ich mich nicht durchsetzen? Habe ich nicht genug Biss oder bin ich einfach nicht gut genug? Das sind Fragen, die sich viele stellen – ich mir mittlerweile nicht mehr. Für mich ausschlaggebend ist die schlechte Planungssicherheit. Klar, überall in der Wirtschaft kann man entlassen werden. Doch in der Wissenschaft muss ich deutlich mehr in Vorleistung gehen, was meine Bildung und Bereitschaft angeht, als beispielsweise im Handwerk. Soweit ich weiß, bin ich auf meinem Forschungsgebiet recht gut und zeige in meiner Dissertation auch bisher unbeachtet gebliebene Aspekte auf, die in meinem Feld wichtig sind. Außerdem ist der Doktortitel die Voraussetzung dafür, weiterhin in der Wissenschaft arbeiten zu können, denn nach sechs Jahren, müsste mich die Universität nun unbefristet anstellen. Das wollen die Unis aber nicht. Dies ist übrigens eine Sondergesetzgebung nur für die Wissenschaft.  Der Abschied fällt mir aber nicht leicht, denn ich liebe es, wissenschaftlich zu arbeiten, ich liebe es Wissenschaftler zu sein und auch zu unterrichten. Und doch denke ich, dass Wissenschaft als Beruf in der aktuellen Wissenschaftslandschaft und im Hinblick auf den politischen (Un-)Willen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen weder physisch noch psychisch für mich gesund sind. Obwohl ich meine Chancen in der sogenannten freien Wirtschaft bzw. _in der echten Welt,_ wie einige dummerweise sagen, als niedrig eingestuft habe, denn wer will schon jemanden, der ein absolutes Exotenfach studiert hat? Doch zeigte sich, dass ich in einer Kommunikationsabteilung sehr gute Chancen gehabt hätte und auch in der Bildungsarbeit Fuß fassen kann. Für letzteres habe ich mich entschieden. Dort kann ich alle meine bisherigen Erfahrungen und meine Expertise einbringen. Außerdem sind hier die Arbeitsbedingungen so, dass ich Wissenschaft nun als Hobby betreiben kann. Hobby im Sinne von Liebhaberei, was es sehr gut trifft. Ich widme mich in Zukunft den Forschungsthemen, die ich für wichtig halte, kann frei forschen und schreiben und Teil der Wissenschaft bleiben. Nur eben mit einem sicheren Arbeitsplatz, den die Wissenschaft in Deutschland nur wenigen zur Verfügung stellen soll.